Chat GPT im Alltag. Ein Erfahrungsbericht.

Vor etwa einem Jahr ertappte ich mich dabei, wie ich in Diskussionen mit Kolleg*innen immer häufiger den Nutzen der Künstlichen Intelligenz (KI) relativierte. Obwohl ich KI als wegweisende und revolutionäre Technologie erkannte, empfand ich den Hype rund um ChatGPT als übertrieben, was mich zu einer skeptischen Haltung verleitete.

Als mir dies bewusst wurde, stellte ich fest, dass ich die neuen Sprachmodelle selbst kaum nutzte und mir daher keine fundierte Meinung bilden konnte. Deshalb entschied ich mich, eine Pro-Version von ChatGPT zu abonnieren und aktiv in meinem Berufs- und Privatleben einzusetzen. Nach einem Jahr Selbstversuch ziehe ich nun Bilanz. Diese vier Use Cases waren für mich besonders relevant:

1. Effizientere Internetrecherche

Ich begann damit, meine Google-Recherchen durch Abfragen in ChatGPT zu ersetzen. Das erforderte etwas Umgewöhnung, brachte aber viele Vorteile: Da die KI Inhalte aus zahlreichen Quellen kombiniert, lassen sich mehrere Rechercheschritte in einer einzigen Abfrage zusammenfassen. Das spart enorm viel Zeit.

Ein eindrückliches Beispiel aus meinem Privatleben: Meine Partnerin und ich planten eine zweitägige Wanderung mit sechs bis sieben Stunden Gehzeit pro Tag – im November, wenn viele Hotels in Bergregionen geschlossen sind. Mit einer einzigen Anfrage fand ChatGPT eine geeignete Route mit einem geöffneten Hotel auf halbem Weg. Ohne KI hätte ich zahlreiche Hotelöffnungszeiten und Wanderkarten durchforsten müssen.

Ein Nachteil sind jedoch die Halluzinationen. Diese wurden mir schmerzlich bewusst, als ich beim Kreuzworträtsel schummeln wollte. „ChatGPT, wie heisst eine Karibikinsel mit fünf Buchstaben?“ – Antwort: „Kuba.“ Fehlerhaft, aber ein amüsantes Beispiel für die Grenzen der KI.

Während ich gelernt habe, die Vertrauenswürdigkeit von Webseiten einzuschätzen, fehlen mir bei der KI oft wichtige Metainformationen. Die Quellenangaben sind ein Schritt in die richtige Richtung, doch um den Kontext wirklich zu verstehen, müsste ich alle Quellen im Original lesen – womit der Zeitvorteil wieder schwindet.

2. Technische Problemlösung und Fehlerbehebung

In meinem Job beschäftige ich mich oft mit technischen Herausforderungen in Microsoft-Anwendungen – sei es bei auftretenden Fehlern oder neuen Anforderungen von Kunden. Hier hilft ChatGPT oft bei der Lösungsfindung, auch wenn die Antworten nicht immer verlässlich sind.

Ein grosser Vorteil ist jedoch, dass die KI Code und Skripte versteht. Da ich selbst selten Skripte schreibe, ist es für mich eine enorme Hilfe, bestehende Skripte zu analysieren oder anzupassen. Besonders in Power BI oder Excel, beides Tools, die ich intensiv nutze, erleichtert mir ChatGPT die Übersetzung von Klartext in Formeln. Ob die KI auch für professionelles Coding eine grosse Unterstützung ist, kann ich jedoch nicht beurteilen.

3. Konzeptarbeit und Texterstellung

Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit besteht im Verfassen von Texten – von Konzepten über E-Mails bis hin zu Präsentationen. Anfangs hatte ich hohe Erwartungen an ChatGPT, doch mein Fazit ist gemischt.

Beim Schreiben fällt mir oft der blumige, teilweise überladene Stil der KI auf. Ich drücke mich in meiner eigenen Sprache präziser aus. Manchmal dauert es länger, einen KI-generierten Text zu überarbeiten, als ihn selbst zu schreiben.

Sehr hilfreich finde ich die KI jedoch bei der Ideenfindung und Strukturierung von Texten. Zudem eignet sie sich hervorragend für die orthografische und grammatikalische Korrektur. Ich stellte auch fest, dass ein seriös geschriebener Text nur sanft korrigiert wird und seinen Charakter behält (Ja, ich habe auch diesen Text durch Chat GPT korrigieren und überarbeiten lassen).

4. Übersetzungen

Ein weiterer relevanter Anwendungsfall sind Übersetzungen. Schon mit DeepL erkannte ich vor Jahren das Potenzial von KI in diesem Bereich, doch ChatGPT hebt dies auf ein neues Level, da es sich direkt in meine Arbeitsabläufe integrieren lässt.

Ein Beispiel: Nach dem Launch eines Projekts beschlossen wir, Anwenderinnen in der italienischsprachigen Schweiz direkt zu unterstützen – obwohl niemand aus unserem Team Italienisch sprach. Persönliche Anfragen konnten wir auf Englisch beantworten, doch im Ticketing-System kamen viele Fragen auf Italienisch. Ich stellte fest, dass ich die lokalen Kolleginnen effizient unterstützen konnte, indem ich Screenshots der Tickets in ChatGPT einfügte. Die KI lieferte mir nicht nur die Übersetzung, sondern auch direkt einen Lösungsvorschlag.

Fazit

Im vergangenen Jahr habe ich viele sinnvolle Anwendungsfälle für ChatGPT in meinem beruflichen und privaten Leben entdeckt. Ich möchte das Tool nicht mehr missen, weiss aber auch, wo ich ohne KI schneller oder präziser bin.

Ein grosses Manko bleiben die Halluzinationen. Hoffentlich werden zukünftige Modelle in dieser Hinsicht zuverlässiger.

Als nächstes werde ich den Microsoft Copilot täglich testen und prüfen, ob er mir noch mehr Vorteile als ChatGPT bietet.

Welche konkreten Erfahrungen habt ihr mit Künstlicher Intelligenz gemacht? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

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